Monat: Juni 2017

„Miese, fiese Charaktere, die anderen ans Leder wollen”: Herbert Dutzler im Videointerview über das Schreiben, das Lesen und das Lachen.

Kulissengeheimnisse, Inspirationen und True Crime im Ausseerland: Nachdem sich Herbert Dutzler kürzlich an dieser Stelle selbst befragt, und sehr erheiternde und lesenswerte Erkenntnisse zu Tage gefördert hat, haben wir ihn diesmal vor die Kamera gebeten, um die verborgensten Winkel seiner Autorenseele auszuleuchten und ihm die Bestsellerformel zu entlocken.

Erzählt hat er uns dann allerdings über Arsen in Mohnknödeln, die unerträgliche Banalität des Bösen, lustige Begräbnisse und fade Hochzeiten. Eigentlich viel interessanter, finden wir!

Erfahrt alles über Gasperlmaiers gemütlich-grantige Resignation gegenüber der Welt, sowie einiges über Verkleidung, Humor und Germanistenträume. Wie das alles zusammenhängt? Hier gibt’s die schönsten Zitate zum Nachlesen:

Warum Fasching?

Erstens einmal gehe ich bei meinen Ideen für Bücher immer von Bildern aus, und der Fasching bietet natürlich eine ganze Unmenge an Bildern: bunte Bilder, spannende Bilder, interessante Bilder.

Ich mache auch eine ganze Menge Fotos und Videos bei solchen Ereignissen, und da erwarte ich dann einfach, dass die Ideen irgendwie daherkommen. Und natürlich kommt zu Hilfe, dass es im Ausseerland einen besonders ausgeprägten Fasching mit teilweise historischen Figuren gibt.

Fasching: Tradition, Kommerz, Volksverblödung: Also ich persönlich hab’s mit dem Verkleiden nicht so. Der Fasching ist doch eine Art verordnete Lustigkeit die meiner Art von Humor nicht so ganz entspricht. Aber was das Ausseerland betrifft, stehen die Tradition und die Unterhaltung für die Einheimischen eindeutig im Vordergrund und die Funktion als Touristenattraktion deutlich im Hintergrund.

Warum Schreiben?

Naja, es fängt damit an, dass auf jeden Fall – zumindest aus meiner Generation – jeder Germanistikstudent viel lieber Schriftsteller geworden wäre. Damals aber natürlich ernstzunehmender Schriftsteller und auf keinen Fall einer, der Unterhaltung produziert. Das war ja damals ein absolutes No-Go, irgendetwas zu machen, was unterhaltend ist. Man wollte vielleicht ein dritter oder vierter Handke werden oder so etwas in dieser Art. Das Schreiben hat mich nie ganz losgelassen. Es ist dann einfach in den Hintergrund gedrängt worden, durch berufliche Tätigkeit, durch Kinder, durch viele andere Dinge, auch durch Sport zum Beispiel, und irgendwann kommt’s dann wieder hervor und man denkt sich: „Jetzt gibt’s eine österreichische Krimiszene. Was, eine österreichische Krimiszene? Sowas gibt’s? Da könnte man sich dafür interessieren, könnte das doch mal ausprobieren!“ Und so ist schön langsam die Idee gewachsen, auch unterstützt durch die Möglichkeiten zu Lesungen zu kommen, Krimifestivals, in kleinen Anthologien zu veröffentlichen. Und so wächst und wächst halt so die Idee. Und eigentlich, muss man ganz ehrlich sagen, ist es mehr dem Zufall zu verdanken, dass mehr daraus wird als ein Hobby, sondern auch etwas, wo man auch auf das Einkommen mit Genuss schauen kann.

Warum Krimi?

Ist gar nicht so einfach zu erklären. Auf jeden Fall habe ich begonnen, sehr viele Kriminalromane zu lesen, weil ich auch Englischlehrer bin und mein Englisch verbessern wollte. Und da habe ich mich dann einfach mehr auf Spannungsliteratur konzentriert. Da gibt’s und gab’s auch sehr viel Spannungsliteratur im englischsprachigen Raum, und so ist das Interesse, immer neue Autoren und Autorinnen zu entdecken, immer größer geworden. Natürlich kommt dann, wenn man selber gerne schreibt, auch die Vorstellung dazu, dass man das doch auch mal selber probieren könnte.

Die Schattenseiten der Ausseer Landidylle – kennen Sie diese?

Aus eigener Anschauung Gott sei Dank gar nicht. Aber am Anfang meiner Tätigkeit als Krimiautor sind da schon ein paar Bücher gestanden. Es gibt zum Beispiel mehrere Bände von Sammlungen von realen Kriminalfällen aus dem Mühlviertel oder auch aus dem Linzer Raum. Eines dieser Bücher heißt „Arsen im Mohnknödel“. Die stellen hauptsächlich Kriminalfälle vor dem 2. Weltkrieg dar, also noch aus der Monarchie oder der Zwischenkriegszeit. Man sieht, wenn man solche Bücher liest, dass die Fantasie jedes Krimiautors von der Realität oft weit in den Schatten gestellt wird. Vor allem, was die Geringfügigkeit der Motivation, der Anlässe betrifft, die Menschen dazu treiben, andere umzubringen. Da denkt man sich als Krimiautor immer: „Also du musst dir doch mehr Gedanken über die Motivation machen, die Psychologie, über den Hintergrund. Es muss besser herausgearbeitet werden!“ Aber die Anlässe im wirklichen Leben, in der wirklichen Kriminalgeschichte, sind oft erschütternd nichtig gewesen.

Die ländliche Idylle und das Hereinbrechen des Düsteren

Etwas, das Menschen interessiert, lebt immer vom Kontrast. Auf der einen Seite eine Landschaft, die jeder als idyllisch erlebt oder erleben kann, wenn er hinfährt, und auf der anderen Seite miese, fiese Charaktere, die anderen ans Leder wollen. Das ist mal ein interessanter Kontrast. Und Kontraste sind immer für alles, was die Menschen unterhält, wesentlich.

In der Gegend, wo ich herkomme, ist es meistens auf Hochzeiten unglaublich langweilig, weil jeder eine hohe Erwartungshaltung hat, dass das ja lustig werden muss. Auf Begräbnissen dagegen geht’s oft recht lustig zu, weil keiner irgendetwas erwartet.

Der Gasperlmaier ohne die Frauen an seiner Seite?

Ich denke, Gasperlmaier würde ohne die Frauen schon zurechtkommen, aber auf eine ganz andere Art. Und ich befürchte fast, dass er ein wenig verlottern würde, was seinen Kleidungsstil, seine Ernährung betrifft. Was seinen ganzen Alltag betrifft ist es schon gut, dass er Frauen um sich hat, die sich ein bisschen um ihn kümmern. Und das ist vielleicht auch ein Grund, warum sich erstaunlich viele männliche Leser mit Gasperlmaier identifizieren können, weil er kein Mann ist, der die Welt unter Kontrolle hat, so wie es das traditionelle Männerbild vorsieht, sondern einer, der eher das Gefühl hat, dass die ganze Welt ihn kontrolliert.

Wieviel Dutzler steckt im Gasperlmaier?

Also ich glaube, der Gasperlmaier ist eher ein Kontrastprogramm zu mir selber. Er ist nicht sehr kommunikativ, ich dagegen tendiere dazu, eher zu viel zu reden, zu viel zu erzählen, zu viel preiszugeben. Der Gasperlmaier ist eher einer, der vom Leben herumgeschickt und gebeutelt wird, und ich bemüh mich, das Leben selber zu gestalten und im Griff zu haben. Wie weit das gelingt, ist immer eine andere Frage, aber der Gasperlmaier ist mir eine große Hilfe, wenn es darum geht, so ein bisschen die Sorgen und Probleme eines alternden Mannes darzustellen, der ich ja selber auch bin. Da kann man ja schon für die Gestaltung des Charakters in diesem Punkt aus der eigenen Erfahrung schöpfen. Auch die Frauenwelt, die Berufswelt … Er hat immer das Gefühl, er ist dem allem ausgeliefert, und es bricht über ihn herein. Das führt auch zu einer gewissen missmutigen Grundstimmung bei ihm.

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Wovor fürchtet sich eigentlich Bernhard Aichner? Der Bestseller-Autor im Videointerview

Wir haben Bernhard Aichner ins Haymon-Krimi-Studio gebeten und ihn ins Kreuzverhör genommen! In unseren Videointerviews erfahrt ihr unter anderem, wovor sich Bernhard Aichner fürchtet, warum er seine Schnuggis liebt, ob er Helene Fischer oder Reinhard Fendrich vorzieht und weshalb er mit dem Herz in der Hand durch die Welt zieht. 

Hier findet ihr einige spannende Zitate zum Nachlesen und das ganze Interview in zwei Videos! 

Hat deine Arbeit als Fotograf dein Schreiben beeinflusst?

Das Fotografieren hat mein Schreiben bestimmt beeinflusst. Also dieses Sehen in Bildern, dieses schnelle Erfassen von Räumen, Situationen, das in Bilder zu packen […]. Dass ich mit meinen kurzen Sätzen, mit meiner Aneinanderreihung von verschiedenen Bildern Szenen male, das hängt bestimmt damit zusammen.

Warum Krimi?

Krimi generell boomt glaub ich deshalb so, weil er zum einen die Möglichkeit bietet, dass man dem Bösen in sich ein bisschen begegnet, dass man dem Bösen ein bisschen über die Schulter schauen kann, aber die Sicherheit hat, dass alles nur Fiktion ist, dass am Ende des Buches alles gut ist, dass man weiß, es ist nicht wirklich was passiert. Man ist auf der sicheren Seite, kann aber trotzdem ein bisschen Voyeur spielen und dem Bösen begegnen.
Ich bin überzeugt davon, dass jeder zum Mörder werden kann. Niemand ist nur gut oder nur böse. Es steckt beides in uns, und ich glaube, dass es bestimmte Situationen im Leben geben könnte, wo sich der Schalter im Kopf umlegt, also ist niemand gefeit davor. Ich drücke die Daumen, dass es nie passieren wird! Meinen Romanfiguren passiert es ständig, dass sich irgendwo dieser Schalter umlegt, aber es macht mir Freude, beim Schreiben diese Grenze zu überschreiten und dort hinzuschauen.

Gerechtigkeit durch Rache?

Rache habe ich immer schon extrem faszinierend gefunden. „Der Graf von Monte Christo” war ein Lieblingsbuch von mir, Charles Bronson, Kill Bill, die ganzen Rachefilme, die es gibt, die habe ich immer sehr geliebt. Ich wollte immer Rachebücher schreiben, eine Rachegeschichte, so wie die Blum-Geschichte, aber auch in den Max-Broll-Krimis kommt immer wieder das Thema Rache vor.
Es geht mir beim Schreiben in erster Linie um den Lesespaß! Ich möchte unterhalten, ich möchte gerne mit einer schönen Sprache schöne Geschichten erzählen. Ich möchte bannen, ich möchte fesseln, ich möchte meine LeserInnen auf eine Reise schicken, die aufregend ist. Ich sage immer, ich möchte sie auf ein Pferd setzen, dem Pferd dann auf den Hintern klopfen, und die Leser sollen durch dieses Buch reiten bis zur letzten Seite und nicht mehr absteigen können. Wenn das gelingt, dass sie am Ende absteigen und sagen: „Huch …!“, dann bin ich happy.

Kannst du das Phänomen Aichner erklären?

Puh, ich weiß nicht, ob es ein Phänomen Aichner gibt, ich weiß, dass es mich gibt, Gott sei Dank noch, hoffentlich noch lange, und dass ich leidenschaftlich gern Bücher schreibe und leidenschaftlich gerne Geschichten erzähle, dass ich fleißig bin, beharrlich bin, dass ich auch mit dem Herz in der Hand durch die Welt gehe, durch meine Bücher gehe, und es macht großen Spaß. Das ist das Allerwichtigste. Ich glaube, das ist das Geheimrezept: Die Freude an der Sache!

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